Demokratischen Aufbruch soll stärker ins Bewusstsein rücken
Die Neuen Auftraggeber von Marl, eine Gruppe von zehn Bürgerinnen und Bürgern der Stadt, möchten damit den demokratischen Aufbruch nach dem 2. Weltkrieg, der sich in der Architektur bedeutender Bauwerke wie dem Rathaus oder der Scharounschule spiegelt, stärker ins öffentliche Bewusstsein rücken. Gemeinsam mit der Gesellschaft der Neuen Auftraggeber (Berlin) und Kulturdezernentin Claudia Schwidrik-Grebe haben sie jetzt das Konzept in einem Pressegespräch vorgestellt.
Der Grundgedanke des eigens für Marl entwickelten Projekt ist es, in dem aus verschiedenen Dörfern zusammengewachsenen Stadtgebilde ein körperliches Gefühl für den Stadtraum und die Stadtgemeinschaft zu entwickeln.
In C – Marler Partitur
Dabei sollen Bürgerinnen und Bürger selbst zu Akteurinnen und Akteuren der Choreografie werden, die an mehreren Orten in der Stadt aufgeführt werden soll. In C – Marler Partitur basiert auf dem berühmten Werk In C (1964) des amerikanischen Pianisten Terry Riley, eine offene Komposition aus 53 musikalischen Figuren, die beliebig oft wiederholt werden können. Inspiriert von Riley hat Sasha Waltz eine Choreografie aus 53 Bewegungsfiguren konzipiert, die in einer, wie sie es nennt, „strukturierten Improvisation mit klaren Regeln und Gesetzen“ getanzt wird. Sie kann von Laien eingeübt und aufgeführt werden und soll sich wie ein Lauffeuer durch die Stadt verbreiten. Die Choreografie gibt den Mitwirkenden viel Freiraum erfordert aber auch, die eigenen Bewegungen dem Rhythmus der Gruppe anpassen. Das Stück macht so Zugehörigkeit, Zusammenklang und die Kraft der Vielstimmigkeit zum Thema. Das Zusammenspiel bewegter Körper im Raum soll darüber hinaus versinnbildlichen, wie sich Demokratie gestaltet.
Im Spätsommer 2022 wird In C – Marler Partitur von Marler Bürgerinnen und Bürgern gemeinsam mit der Company Sasha Waltz & Guests im Stadtraum aufgeführt. Das Stück ist eine Einladung an alle Marler Bürgerinnen und Bürger, ihre Stadt tanzend zu erfahren.
Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber
In C – Marler Partitur wird in Kooperation mit der Gesellschaft der Neuen Auftraggeber realisiert. Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber bietet Menschen, die etwas verändern wollen, die Möglichkeit, bei namhaften Künstlerinnen und Künstlern neue Projekte der Kunst, Literatur, Architektur oder Musik in Auftrag zu geben. Die Beauftragten entwickeln Kunstwerke, die Antworten auf drängende Fragen im jeweiligen Lebensumfeld der Auftraggeber geben. Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber schafft dafür den Rahmen und unterstützt alle Beteiligten bei der Beauftragung, Finanzierung und Ausführung nicht-kommerziellen Projekte. Sie bieten Antworten auf besondere Herausforderungen, denen sich Menschen gegenübersehen, die üblicherweise wenig Möglichkeit haben, das kulturelle Leben aktiv mitzugestalten.
„Wir freuen uns sehr, die Neuen Auftraggeber für Marl gewonnen zu haben“, sagt Kulturdezernentin Claudia Schwidrik-Grebe. „Ihr Konzept zählt zu den innovativsten und erfolgreichsten Anregungen für Kunst im öffentlichen Raum, die auf die Wünsche der Bürgerinnen und Bürger zurückgeht. Gerade in heutiger Zeit ist es wichtig, solchen kulturellen Projekt auf Augenhöhe zu begegnen und sie zu fördern“.
Zum Hintergrund
In den 1950er und 1960er Jahren bauten der damalige Bürgermeister der Stadt, Rudolf-Ernst Heiland, und sein Stadtplaner Günther Marschall Marl zu einer visionären, demokratischen Modellstadt aus. In einem anspruchsvollen Bauprogramm wurde die Errichtung von modernen Schulen, des neuartigen Rathausgebäudes und anderer Gemeinschaftseinrichtungen beschlossen, um nach dem Krieg die Entstehung ein neuen demokratischen Miteinanders zu fördern. Die Choreografie soll dieses innovative Stadtverständnis wieder ins Bewusstsein der Stadtgemeinschaft rücken und sich neuen Generationen erschließen. Die Gesellschaft der Neuen Auftraggeber ist gefördert von der Kulturstiftung des Bundes.