Drei Räume, gestaltet von den Künstlerinnen und Künstlern Paulina Hoffmann, Stefan Roigk und Anna Virnich erwarten Kunstbegeisterte in der neuen Ausstellung „Textiles Areal“ im Skulpturenmuseum. Die Werke hinterfragen die Grenzen und Möglichkeiten des Werkstoffes Textil im künstlerischen Ausstellungskontext. Hierbei lösen sie sich von Erwartungen und bilden neue (Erfahrungs-)Räume. Omnipräsente Gebrauchs- und Industriegewebe bilden Körper und Volumen und werden zu einem nahezu unformbarem Material. Dabei arbeiten die Werke mit dem Raum, füllen ihn, experimentieren mit und in ihm. Die Installationen stehen oder hängen frei im Raum und unterstreichen damit neben ihrer Stofflichkeit auch ihren Skulpturencharakter.
Anna Virnich spannte für ihre textile Installation metatropí Stoffe auf hölzerne Rahmen, die inmitten des Raums stehen. Die Künstlerin nähte, zerriss, bestickte, verätzte und bemalte die Stoffe. Verschiedene Techniken, Farben und Strukturen verschmelzen hier zu einem membranähnlichen Ganzen. Die Gesamtstruktur erscheint architektonisch, die stoffliche Leinwand ist straff auf ihr Gestell gespannt. Die Farbigkeit des Kunstwerkes ist relativ dezent und zart, hält sich zurück, überlässt den Strukturen das Rampenlicht. Wichtig ist der Künstlerin, dass alle Seiten, wie bei einer Skulptur, sichtbar sind.
Die Künstlerin Paulina Hoffmann vernähte für ihre massive Installation StdG per Hand schwarze PVC-Planen mit weißer Maurerschnur. Dabei wuchs das Stück organisch, intuitiv, sensibel, ohne Plan. Die Künstlerin stellte sich dabei immer wieder die Frage: „Wie weit soll es noch wachsen?“ Wiederholt hängte sie es ab, nähte, hängte es wieder auf. Zeugen dieses andauernden Prozesses sind die Staubspuren auf der Rückseite des Werkes. Das Einzelstück besteht aus Gegensätzen, wirkt hart und weich, starr und zugleich beweglich, abstoßend und behütend. Ihr zweites Werk im Raum namens MmS5 schwebt scheinbar an der weißen Wand. Auch hierfür verwendete Hoffmann einen schwarzen, jedoch dünneren PVC-Stoff, mit einem feineren weißen Faden, den sie per Maschine vernähte. Mit seinen vielen Schlaufen weckt das Objekt Assoziationen mit einer Lederumhängetasche. Beide Arbeiten Hoffmanns dominieren in Größe, Form und Oberflächenbeschaffenheit den Raum und die Menschen in ihm.
Im dritten Raum der Ausstellung vereint Stefan Roigk in seinem Werk Crystal Castle (2010) Klangkunst und textile Skulptur. Von der Decke hängen graue Stoffsäcke in geometrischen Formen, unten erleuchten grubenlampenähnliche Leuchtmittel die Dunkelheit des Raumes partiell. Das Gesamtkonstrukt mit den wuchernden textilen Gebilden erinnert an eine Höhlenlandschaft oder einen Stollen. Die begleitende Klangformation entführt das Museumspublikum in eine andere Welt. Verfremdete Aufnahmen öffentlicher Kunst-Schauplätze verschwimmen mit verzerrten Aufnahmen von Stimmen auf Anrufbeantwortern zu einem sphärischen Klingen. Die Gesamtatmosphäre aus Geruch, partieller Dunkelheit und Wärme erschafft einen Parallelraum im eigentlichen Raum.
Bereits seit Jahrhunderten gehört Textil zu einem wichtigen und omnipräsenten Gebrauchsmaterial der menschlichen Alltagskultur. Als künstlerisches Material ist und war Textil umstritten. Zwar erfreute es sich immer wieder punktueller Beliebtheit. Dennoch findet die Arbeit mit Stofflichkeit bis heute selbst in Fachkreisen nur eingeschränkt Anerkennung.
Ausstellungseröffnung & Sommerfest: Samstag, 8. Juli 2023, von 14 bis 18 Uhr
Ausstellung: Dienstag bis Freitag 11-17 Uhr, Samstag / Sonntag / Feiertag 11-18 Uhr
Eintritt frei
Wo? Skulpturenmuseum Marl, Georg-Herwerth-Straße 63-67, 45772 Marl