Bibliothek: Buchtipps für den Monat Juni

Während andere bereits ihre Urlaubskoffer packen, hat Beate Convent, Leiterin der Zentralbibliothek Marl, pünktlich Empfehlungen für die passende Reiselektüre im Gepäck: Ein spannender Krimi in Kopenhagen, ein Roman über Verlust und Neuanfang und eine liebevolle Mensch-Tier-Reisegeschichte.

Heidi Amsinck: Schneeflockengrab

Jensen ist Journalistin und nach mehreren Jahren in London in ihre Heimatstadt Kopenhagen zurückgekehrt. Eines Morgens findet sie im Schnee sitzend einen jungen Mann: tot, erstochen. Sie informiert die Polizei, ihr Liebhaber Henrik übernimmt den Fall. Jensen, die, seit sie zurück in Kopenhagen ist unter einer Schreibblockade leidet, kann nicht einmal den Wünschen ihrer Chefin entsprechen und das Erlebte zu einer Story verarbeiten. Doch sie bleibt dran, denn obwohl zuvor schon ein obdachloser Mann erstochen wurde, glaubt sie nicht an einen Serientäter. Denn der junge Mann und seine Kleidung wirken zu gepflegt für einen Obdachlosen, und was hat es mit dem Schild auf sich, das bei ihm gefunden wird? – „schuldig“ steht darauf. Nimmt er eine Schuld auf sich? Jensen forscht alleine weiter, findet heraus, dass der Tote vor kurzem erst aus der Haft entlassen wurde, nachdem er als Jugendlicher angeblich seine Mutter ermordet hatte. Bekennt er sich jetzt also schuldig, oder weist das Schild auf jemand anderen? Unterstützt wird Jensen bei ihren Recherchen von Gustav, dem Neffen ihrer Chefin, mit dem sie eigentlich einem anonymen Hinweis auf Betrug nachgehen soll. Dabei stoßen sie auch auf Hinweise zum Mord an der Mutter des Toten. Ab und an hilft ihnen auch ein Hinweis von Henrik weiter, wenn die schwierige Beziehung zwischen ihm und Jensen das zulässt…

Ein wirklich spannender Krimi, der Erstling von Heidi Amsinck, einer Journalistin, die auch creative writing studiert und schon mehrere Kurzgeschichten geschrieben hat. Und wie häufig in skandinavischen Krimis darf auch hier eine gehörige Portion Gesellschaftskritik nicht fehlen. Und da der immer wieder kurz angeschnittene Betrugsverdacht mit dem vermeintlichen Selbstmord eines Opfers endet, wäre das doch sicher auch ein Thema für einen für Dezember angekündigten 2. Band.

Heidi Amsinck: Schneeflockengrab - Knaur

 

Isabel Bogdan: Laufen

Nicht ganz neu ist der Roman „Laufen“ von Isabel Bogdan, aber nachdem vor einigen Wochen die Verfilmung im Fernsehen lief, musste ich ihn einfach noch einmal lesen.

Das Thema ist ein ernstes, es geht um den Tod eines Partners. Die hier namenlose Ich-Erzählerin hat vor mehr als einem Jahr ihren Partner verloren, wie der Leser später erfährt, durch Suizid. Sie möchte eigentlich wieder mehr am Leben teilnehmen, den "Friesennerz", wie sie das Gefühl der Unbeweglichkeit und des Eingeengtseins nennt, endlich abstreifen. Zugleich ist da aber die Angst, den geliebten Menschen zu vergessen. Sie kann sich jetzt schon kaum noch an seinen Geruch erinnern, nachdem sie seine Schlafanzüge, die sie lange trug, auch mal waschen musste. Sie fängt an zu laufen, weil man sich beim Laufen nur auf's Atmen konzentrieren muss, die Gedanken so schön schweifen können. Und an diesen Gedanken lässt Isabel Bogdan die Leser teilhaben, und neben der Aufarbeitung der Beziehung, die schon längere Zeit unter den Depressionen des Partners litt, gehen die Gedanken manchmal auch seltsame Wege...

All das erzählt Isabel Bogdan so wunderbar lakonisch, zugleich aber auch berührend, dann wieder humorvoll, dass dieser Roman, der das Innenleben und die Gedanken der Protagonistin verständlicherweise besser darstellen kann als ein Film, auch danach noch wirklich lesenswert ist!

Isabel Bogdan: Laufen - KiWi

 

Lotta Lubkoll: Sonne, Meer und lange Ohren

Lotta Lubkoll und ihr Esel Jonny sind wieder unterwegs! Nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters beschloss die Autorin, ausgebildete Schauspielerin und Erlebnispädagogin, 2018 einen ihrer Wünsche zu verwirklichen und mit einem Esel über die Alpen zu wandern. So kam sie zu ihrem Jonny. Die aufregende Wanderung beschreibt sie in ihrem ersten Buch „Wandern, Glück und lange Ohren“. 2020 bremst Corona sie, die überwiegend freiberuflich tätig ist, aus. Außerdem erscheint das schon geschriebene Buch über die Alpenüberquerung nicht wie geplant, und sie nutzt die viele freie Zeit, um sich einen weiteren Lebenstraum zu erfüllen. Sie ersteht günstig einen Ford Transit und baut ihn um, zum Wohnmobil für sich mit einer integrierten Box für Jonny.

Und so machen sich die beiden nach diversen Testfahrten im Dezember auf den Weg. Ziel ist die iberische Halbinsel, dort wollen sie die kalten Monate verbringen. Außerdem hat Lotta Kindheitserinnerungen an einen Familienurlaub in Portugal, an die sie immer wieder gerne denkt. Aber auch dieses Mal ist die Reise nicht so einfach, immer wieder gibt es Probleme, z.B. einen Stellplatz zu finden, Futter für Jonny aufzutreiben.

Aber jedes Problem wird gelöst, und es überwiegen die schönen Kontakte zu den freundlichen, hilfsbereiten Menschen, die sie unterwegs kennenlernt. Und so sehr sie auch die Reise genießt, sie kommt zu dem Fazit, dass es zu Fuß zumindest anders ist, vielleicht auch intensiver, weil man noch mehr auf sich konzentriert ist, man aber gleichzeitig leichter mit anderen in Kontakt kommt. Zudem sind gerade in Portugal in den Wintermonaten „Aussteiger“ mit den unterschiedlichsten Lebensentwürfen keine Seltenheit – hier lernt Lotta interessante Menschen kennen.

Diese Reisebeschreibung macht einfach wieder Spaß, sie beschreibt den Reisealltag mit all seinen schönen, witzigen, aber häufig auch (emotional) anstrengenden Momenten. Und immer wieder zeigt sich die innige Bindung zwischen Mensch und Tier – einfach schön!

Lotta Lubkoll: Sonne, Meer und lange Ohren - Piper

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Beate Convent, Leiterin der Zentralbibliothek der Stadt Marl, ganz in ihrem Element.

Ein atmosphärischer Thriller im dänischen Kopenhagen: Heidi Amsinck: Schneeflockengrab - Knaur

Ein einfühlsamer Roman über Verlust und Neuanfang, ganz ohne Kitsch: Isabel Bogdan: Laufen - KiWi

Ein bebilderter Reisebericht als ungewöhnliche Mensch-Tier-Geschichte: Lotta Lubkoll: Sonne, Meer und lange Ohren - Piper